»Unterricht fand alle Tage auf hessisch statt; doch wenn Schüler oder Lehrer sich mal an mich wandten, gaben sie sich stets ehrlich große Mühe, hochdeutsch zu sprechen; Goetheschule. Ich kam mit fünf in die Schule … Der Schulhof: eine abendrote Backsteinmauer aus dem Jahr 1901; die Bauernkinder bekamen von ihren (wie ausgestopften) großmächtigen Müttern immer Worscht- und Hoinkbrote in den Schulhof gebracht, groß wie Bretter, den ganzen Frühsommer mit (abwechselnd) Radieschen oder frischen Erdbeeren drauf, mit Schnittlauch und Salz, mit braunem Zucker bestreut. (Alle backen ihr Brot selbst, Samstagmorgen, im Gemeindebackhaus, das glich einem versteinerten Hexenhäuschen!) Oder Schmehr- oder Quoatschekuche – U ganz kurz! Pause rum! Nachher standen die Mütter mit ihren Schürzen und Kopftüchern noch ewig beim Tor, unterm Lindenbaum und (Ewigkeiten; jede muß gleich wieder heim!) schwatzen endlos mit- und gegeneinander, die ganze nächste Stunde hindurch, aufgeregt gestikulierend! Durchs Fenster (im Unterricht war von Fröschen die Rede: sie mußten alle addiert werden!): wie Strohpuppen, als ob launische Windstöße sie beleben! Wie Hexen die gleich sich emporschwingen und johlend davonfliegen werden, doch taten es nie! Rote Schule mit der hohen Tanne daneben. Seit du nicht mehr im Dorf hier zur Schule gehst, kommt sie dir erst recht wieder wie aus einem fröhlichen Bilderbuch vor: die schönste von allen roten Backsteinschulen in der ganzen Gegend, weit und breit in den Dörfern. Wenn nur halbwegs die Sonne scheint, gleich lacht sie dich dauerhaft an.«

aus: Der Nußbaum gegenüber vom Laden in dem du dein Brot kaufst (1979)