»Beim Poul. Auf dem Steg. Ganz vorn. Am äußersten Rand. Den Blick aufs Wasser. Und schon beim leisesten Windhauch kann einem vorkommen, daß man fährt. Wie auf einem Schiff. An Deck. Vorn am Bug stehen. In See stechen, heißt es in den Büchern. Nach Indien, nach China. Und man muß sich am Geländer festhalten, weil mit dem Wind, der zunimmt, das Schiff immer mehr Fahrt gewinnt. Man kann auf dem Steg auch sitzen Und läßt unterm Geländer durch die Beine die Luft hängen. Nur Obacht mit Holzsplittern. Besonders wenn es so ein langer trockener Sommer ist, sagte ich. Ein Kindheitssommer. Die Treppe geht auch als Sitzplatz. Eine alte Steintreppe, die ins Wasser führt. Die Frösche denken, die Treppe ist extra für sie. Vielleicht denken sie sogar, sie hätten sie vor langer Zeit selbst gemacht. Oder du suchst dir einen Platz auf dem Mäuerchen. Die Mäuerchen sind alle verschieden. So hat man jedesmal einen anderen Blick auf das Wasser. Oder kann bei den Steinen am Strand sitzen - und den ganzen Tag lang dem Wasser zusehen und dem Himmel im Wasser. Wer es kann, kann sich auch ein paar flache Steine zusammensuchen und sie übers Wasser hüpfen lassen ... Lieber ein Schiffchen fahren lassen. Wenn man eins hat. Weil man ihm so schön nachsehen kann. Und das macht froh und traurig zugleich. Wie ein frohes trauriges Lied. Wenn das Schiffchen weit genug weg ist, muß man den Blick wie mit einem Fernrohr (als ob man ein Fernrohr hätte) so einstellen, daß man nur Schiffchen und Wasser sieht. Kein Mäuerchen. Nichts vom Ufer. Dann wird das Schiffchen ein wirkliches Schiff – und das Wasser die Ostsee. Erst die Ostsee, dann die Nordsee und dann das Weltmeer. Erst recht, wenn der Wind von der Hardt kommt und das Wasser zu glitzern anfängt. Jetzt bist du selbst das Schiff. Erst Schiffsjunge, dann Kapitän. ... Eine Weltreise. Sieben Meere. Warum soll man nicht bis zum Abend warten? Jeder junge Hund im Dorf, sagte ich, wäre gerne ein Schiffshund. Sie wünschen sich Abenteuer.«
aus: Vorabend (2011)